20.07.2012

Tag 042: Schreien und spucken

Heute traf ich einige Frauen. Natürlich treffe ich fast täglich mehrere Frauen, aber selten bewohnt davon mehr als eine den selben Körper. Nachdem ich über einen Post auf diesem Blog in Kontakt mit der Künstlerin Chiara Fumai gekommen bin, habe ich heute endlich die Gelegenheit gehabt, ihre Performance zu besuchen.
Ich traf vor und in der Hütte mit den vernagelten Fenstern auf:
  • Chiara Fumai (Künstlerin)
  • Chiara Fumai (Hundebesitzerin)
  • Chiara Fumai (Raucherin)
  • Chiara Fumai (Feministin, möglicherweise Anarcho-Feministin)
  • Miss Zalumma Agra (Star of the East)
  • Mrs. Annie Jones (Bärtige Frau, war offiziell nicht anwesend. Aber kann man sich ganz sicher sein?)
Da ich wusste, dass ich hier verschiedenen Frauen begegnen sollte, beobachtete ich die Personen in meiner Umgebung genau. Und es war faszinierend, wie unterschiedlich ein und der selbe Mensch innerhalb von nicht einmal einer Stunde sein kann.
Chiara Fumai kam etwas zu spät, da sie noch an einer Diskussionsrunde teilgenommen hatte, mit einem Tross aus Assistentinnen und einem Assitenten, der, nebenbei bemerkt, vermutet, dass sie das bestaussehenste Team auf der d(13) sind. Zügig, aber nicht hektisch. Pflichtbewusst und professionell. Eine Person wollte ihr noch etwas geben. Auch hier reagierte sie professionell, oder kühl, je nachdem, wie man es ausdeuten möchte. Dann verschwand sie in ihrer Hütte.
Ich hatte etwas Sorge vor diesem Treffen, da ich zuvor nicht unbedingt das Netteste über sie geschrieben hatte.
Dann begann die "Feministische Freakshow". Eine absolut verwandelte Frau erscheint: Sie trägt ein weißes Nachthemd und eine Perrücke. Wirkt gleichzeitig zerbrechlich und absurd. Engegen meiner Erwartungen beginnt sie nicht herumzuschreien, wie es der Titel der Performance vermuten lässt, sondern spricht mit uns ganz normal über ihr Projekt, Miss Zaluma Agra und das Logbuch der d(13). Schließlich fragt sie, ob wir wissen, was Feminismus ist. Ich kann es nicht lassen, will etwas Kluges sagen und sage was Dummes...
Von einem Moment auf den anderen kippt die Stimmung: Sie schreit das Manifest "Io dico io" und spuckt auf Hegel. Nach etwa 5 Minuten verweist sie uns der Tür. Schaut eindringlich (böse?). Die Stimmung schlägt wieder um: Sie entschuldigt sich bei einem Mädchen, falls sie diese während der Performance zu hart ermahnt habe, still zu sein.
Jetzt möchte sie eine Zigarette, eine "echte", keine gedrehte, während sie mir das Projekt erläutert. Der Moment, der in Erinnerung bleibt. ist der, in dem sie ihren Hund nachmacht: Zunge raus! Dann muss sie zur nächsten Performance, ich verabschiede mich.

Was habe ich gelernt? Was ist mein Ansatz? Das Projekt bleibt für mich etwas unnahbar, verschroben. Das habe ich durch meinen Blogpost vor ein paar Wochen sehr uncharmant zum Ausdruck gebracht. Aber warum stört es mich überhaupt? Ist es nicht so, dass wir "Anders sein" in unserer Gesellschaft immer wieder abwerten? Davon bin ich offensichtlich nicht ausgeschlossen. Chiara Fumai möchte uns aber zeigen, dass Unterschiedlichkeiten eine Stärke sind. Etwas, das mir, wenn ich darüber nachdenke, sofort einleuchtet!
Am Ende war es gut, dass ich mich von diesem Projekt etwas distanziert habe, denn nur dadurch war es mir möglich, mich Chiara Fumai (in einigen ihrer Inkarnationen) anzunähern und jetzt meinen Standpunkt zu ihr neu zu definieren.

Und ich möchte dir danken, Chiara, dafür, dass du mir geschrieben hast, dass du dir trotz meiner negativen Haltung Mühe gegeben hast, mir etwas zu vermitteln und dass ich ehrlich den Eindruck hatte, du hast dich gefreut, als ich bei dir im Türrahmen stand.


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