14.07.2012

Tag 036: Texte einer Ausstellung

Am Tag 032 habe ich unter dem Titel "Bilder einer Ausstellung" eben dies gezeigt. Möglicherweise hat jemand bemerkt, dass die Bilder zum Teil ungewöhnlich unscharf waren, oder sich einfach nur gedacht, dass ich jetzt schon zu faul werde Texte zu schreiben. (Ich weiß, ich schaffe es bei Weitem nicht täglich, hier was zu schreiben, aber das hat nichts mit Faulheit zu tun, höchstens mit Mangel an Zeit, Disziplin und möglicherweise Liebe. Aber dazu ein anderes mal mehr.)
Der Grund, warum ich die Bilder zunächst unkommentiert gelassen habe, zeigt sich möglicherweise in diesem Bild:
Wie ich schonmal erwähnte, ist die nicht-realisierte Moschee einer meiner Lieblings-Ausstellungsorte und nicht ganz unschuldig daran ist Walid Raad, der in diesem nicht repräsentativen Ort eine Ausstellung realisiert hat, die sich sehen lassen kann. Und ein Exponat ist dieses Modell einer Galerie im Libanon.
Neben den Exponaten haben mich in dieser Ausstellung die Wandtexte fasziniert, die so gut sind, dass ich von meinem Wunsch nach subjektiven Sichtweisen abrücke und zwei davon zitieren möchte:


Zwischen 1989 und 2004 arbeitete ich an einem Projekt mit dem Titel The Atlas Group. Es bestand aus Kunstwerken, die durch die Libanonkriege der letzten Jahrzehnte möglich geworden waren.
2005 fragte man mich, ob ich dieses Projekt zum ersten Mal im Libanon, in Beiruts erster White Cube-Galerie überhaupt ausstellen wolle. Aus irgendeinem Grund bereitete mir dieser Vorschlag Unbehaben, und ich lehnte das Angebot ab.
2006 fragte man mich wieder. Ich lehnte wieder ab.
2007 fragte man mich wieder. Ich lehnte wieder ab.
2008 fragte man mich wieder. Ich stimmte zu.
Als ich einige Wochen später in die Galerie kam, um mir meine Ausstellung vor der Eröffnung anzusehen, stellte ich erschrocken fest, dass alle meine Kunstwerke auf 1/100stel ihrer Größe zusammengeschrumpft waren.
Daraus folgend beschloss ich, einen kleineren weißen Kubus zu bauen, der den neuen Dimensionen meiner Werke entsprach, und diese dort zu präsentieren.

Eine zweite Arbeit, die aus zwei Objekten und einer Videoprojektion besteht, beschäftigt sich ebenfalls mit dem Ausstellungsraum:

Bei der Eröffnung eines neuen Museums moderner und/oder zeitgenössischer Kunst in einer arabischen Stadt eilt ein stolzer Einheimischer zum Eingang, muss dort aber feststellen, dass er nicht weiterkommt.
Lag es daran, dass er bei einem Event, für das Abendgarderobe vorgeschrieben war, Freizeitkleidung trug? Nein.
Verwehreten ihm die Schlägertypen, die die Vertreter der herrschenden Dynastie abschirmten, welche das Event massenweise besuchten, um, die pubertierenden zukünftigen Herrscher im Schlepptau, ihre Mildtätigkeit und ihr verfeinertes Empfindungsvermögen zur Schau stellen, den Zutritt? Nein.
Er spürt einfach nur, dass er, würde er dort hineinmaschieren, mit Sicherheit "auf eine Mauer stieße".
Auf der Stelle wendet er sich der herbeieilenden Masse zu und schreit: "Halt. Geht da nicht hinein. Seid vorsichtig".
Innerhalb weniger Sekunden wird er von dem Ort entfernt, heftig geschlagen und in eine psychatrische Klinik eingewiesen.
Diese Ereignisse werden zwischen 2014 und 2024 stattfinden. Sicherlich werden wir in den Zeitungen am folgenden Tag die Schlagzeile lesen: "Geisteskranker stört Eröffnung. Behauptet die Erde sei eine Scheibe."

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